Natürliche Baumaterialien wie Lehm, Hanf oder Stroh stehen für klimaneutrales, ressourcenschonendes und gesundes Bauen und Sanieren der Zukunft. Doch halten sich manche Vorbehalte gegen sie hartnäckig. Was ist dran?
Lehmbauweise nichts für die Stadt?
Häuser aus Lehm? Da denken viele an Fachwerkbauten in malerischen kleinen Ortschaften. Dabei eignet sich Lehm als Baustoff auch für den urbanen Raum. Neue Baunormen erlauben sogar den Bau von mehrstöckigen Häusern.
Geht es um moderne Stadtwohnungen oder Mehrfamilienhäuser, spielte Lehm bislang eine untergeordnete Rolle. Dabei sind die ökologischen Vorteile des ältesten natürlichen Baustoffes der Welt unbestritten. Das gesunde Baumaterial ist weltweit in nahezu allen Böden verfügbar. Lehm ist zu 100 Prozent wiederverwertbar und damit ressourcenschonend. So hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) errechnet, dass die Verwendung von Lehm beim Hausbau rund 85 Prozent der Energie einspart, die beim Bauen mit Zement anfallen würde.
Gutes Wohngefühl
Das schadstofffreie, atmungsaktive und nicht brennbare Erdgemisch aus Ton, Sand und Schluff kann in vielen Bauteilen verwendet werden. „Für den Einsatz von Lehm auch bei Stadthäusern spricht, dass er im Sommer vor großer Hitze und im Winter vor Kälte schützt“, sagt Thomas Mau von der Bausparkasse BHW. „Schon das Aufbringen von Lehmputz auf eine Betonwand schafft ein besseres Raumklima“, so der Experte.
Mehrgeschossig mit Lehm
In Deutschland macht jetzt die neue DIN 18940 für tragendes Lehmsteinmauerwerk den Weg frei für große Wohngebäude in Lehmbauweise. Während vorher ein oder maximal zwei Geschosse erlaubt waren, sind nun bis zu 13 Meter hohe Gebäude mit bis zu vier Etagen möglich. Denn Lehm ist sehr stabil und belastbar. „Das eröffnet auch in dicht besiedelten Stadträumen neue Möglichkeiten“, sagt Thomas Mau. Erste Lehmbauten entstehen derzeit in Bad Aibling; in Kirchheim bei München ist ein Lehmbau-Haus mit zwölf Wohneinheiten geplant.
Dämmen mit Hanf und Stroh – viel zu teuer?
Wer Fassade, Dach oder Keller isolieren will, hat je nach Gebäudeteil die Wahl zwischen herkömmlichen und ökologischen Dämmstoffen. Für viele scheint sonnenklar: Öko kostet immer einen Aufpreis. Doch so einfach ist es nicht, wenn man den Lebenszyklus von Hanf oder Stroh gegenüber Styropor betrachtet.
Styropor ist unter den herkömmlichen Dämmstoffen mit einem Preis von rund 14 Euro pro Quadratmeter der günstigste und daher weit verbreitet. Die regionalen Öko-Baustoffe Stroh und Hanf sind auch schon ab 16 Euro pro Quadratmeter zu haben. Bei einer Fassadenfläche von 100 Quadratmetern kommen so Materialkosten von 1.400 bzw. 1.600 Euro zusammen, ein Unterschied von gerade 200 Euro.
Kostenvergleich im Lebenszyklus
„Der reine Vergleich der Anschaffungskosten zwischen den Dämmstoffen hinkt, wenn man die Qualitätsvorteile nachwachsender Rohstoffe einbezieht“, sagt Thomas Mau von der Bausparkasse BHW. Hanf, Heu oder sogenanntes Baustroh liefern einen besonders guten Schall- und Hitzeschutz. Sie sorgen für ein gesundes Wohnklima, indem sie Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnehmen. Schon während des Wachstums der Pflanzen, aus denen die Naturdämmstoffe hergestellt werden, wird der Atmosphäre CO2 entzogen. Biologisch abbaubar sind die grünen Materialien in der Regel auch.
Vom Dach zur Deponie
Ganz anders das Ölprodukt Styropor: Dämmstoffe aus Styropor, die mit dem Flammschutzmittel HBCD behandelt sind, müssen Hausbesitzende heute als Sondermüll entsorgen. BHW Experte Mau: „Zum Anschaffungspreis können noch einmal einige Hundert Euro pro Tonne für die Entsorgung hinzukommen.“ Gute Beispiele für ökologisches Dämmen gibt es mittlerweile viele. So wurde jetzt in Braunsbach bei Schwäbisch Hall auf 275 Quadratmetern ein Passivhaus mit Büro und Einliegerwohnung gebaut. Für die Dämmung von Außenwänden und Dach wurden 1.200 Strohballen verwendet, ergänzt um eine außenliegende Weichfaserplatte.
Fotos in diesem Beitrag: ClayTec / lehm-bau.kunst Dachsel / Sylwia Mierzynska / Schauer + Volhard Architekten / BHW Bausparkasse
Stand: 12/ 2023